Oft wird angenommen, dass es sich bei Nahtoderfahrungen (kurz NTE) um Halluzinationen handelt, die durch physische und psychische Belastungen, kurz vor dem Stadium des Hirntods, verursacht werden. Es gibt diesbezüglich verschiedene Erklärungsansätze.
Es kommt vor, dass Menschen berichten, sie hätten Dinge wahrgenommen, die sie eigentlich nicht hätten wahrnehmen können. Folgender Fall aus den Niederlanden berichtet über solche Erlebnisse:
Ein 44-jähriger Mann wurde im Jahre 1979 in die Notaufnahme des Canisius-Krankenhauses in den Niederlanden gebracht, nachdem er mitten in der Nacht auf einer Wiese komatös, hypothermisch und ohne Puls entdeckt worden war. Krankenhausangestellte, einschließlich der Oberschwester, begannen mit der Reanimation, nachdem sie die Zahnprothesen des Patienten entfernten und auf den Unfallwagen stellten, damit sie ihm eine Beatmungsmaske anlegen konnte. Eine Woche nachdem der Patient wiederbelebt worden war, kam das Krankenhauspersonal zur Visite in sein Zimmer und der Patient sagte: “Oh, diese Krankenschwester weiß, wo meine Prothese ist!” Er erwähnte, dass er seit er wieder zu Bewusstsein kam, nach seinem Zahnersatz gesucht hatte. Er erinnerte sich, dass die Oberschwester seine Prothese aus dem Mund genommen und auf den Wagen gelegt hatte. Die Schwester fragte ihn weiter und erfuhr, dass er sich im Bett liegend gesehen habe. Er konnte den kleinen Raum, in dem er wiederbelebt worden war, sowie das Aussehen der Anwesenden richtig und detailliert beschreiben.
Nahtoderfahrungen werden nicht von allen Menschen gemeldet, die von der Schwelle des Todes zurückkehren, sondern in großen Prozentsatz von vorübergehend hirntoten Menschen.
Peter Fenwick (Neuropsychologe der Universität in Cambridge) hat über 300 Fälle von Nahtoderfahrungen analysiert und kam zu dem Schluss, dass unser Bewusstsein mehr als nur eine Funktion des Gehirns sein kann. Obwohl argumentiert wurde, dass Nahtoderfahrungen durch chemische Reaktionen im Gehirn verursacht werden könnten, weil zum Zeitpunkt des Todes Medikamente verabreicht wurden, wies Fenwick darauf hin, dass in seinen Forschungsberichten 37% der Patienten zum Zeitpunkt der Nahtoderfahrungen Medikamente verabreicht bekamen, 63% aber nicht. Er sagte auch, dass ungefähr zwei Drittel ihre Nahtoderfahrungen während Krankheit, Operationen, Geburt oder Unfällen erlebten; 2% traten bei Suizidversuchen auf und 20% unter anderen Umständen, wie Angstzuständen, Träume, Entspannungszustände oder ganz spontan.
Im Jahr 2014 wurde ein Bericht über eine vierjährige Studie von Sam Parnia an der Universität von Southampton erstellt. 2060 Patienten mit Herzstillstand wurden im Rahmen einer Studie gebeten, über ihre Erfahrungen zu berichten.
Die aktuelle Theorie besagt, dass das Gehirn innerhalb von 20 bis 30 Sekunden nach dem Herzstillstand abschaltet und es ist eigentlich unmöglich, irgendetwas nach dem Abschalten des Gehirns wahrzunehmen. In dieser Studie hatten die Patienten jedoch bis zu drei Minuten nach dem Herzstillstand realistische Erlebnisse und konnten sich nach ihrer Reanimation wieder vollständig an die Erlebnisse erinnern. Ein Mann berichtete sehr glaubwürdig über das Geschehen, während Ärzte und Krankenschwestern versuchten, ihn zu reanimieren und sagte, er konnte seine Reanimation aus der Ecke des Zimmers beobachten. Er hörte zwei Piepstöne von einer Maschine, die in dreiminütigen Intervallen ein Signal abgab, so dass seine Erfahrung zeitlich festgelegt werden konnte.
Von Überlebenden hatten 46% eine breite Palette mentaler Erinnerungen, 9% hatten Erlebnisse, die mit der traditionellen Definition einer Nahtoderfahrung kompatibel waren und 2% konnten explizit beschreiben, was sie gesehen und gehört hatten im Sinne von außerkörperlichen Erfahrungen.
Andrew Newberg, ein Neurowissenschaftler, hat die Gehirnscans religiöser Menschen studiert, die beim Meditieren ekstatische Erfahrungen gemacht haben. Er glaubt, dass der Tunnel und das Licht, die der Nahtod-Erfahrene häufig beschreibt, leicht erklärt werden können. Wenn dein Sehvermögen nachlässt, verlierst du zuerst die peripheren Bereiche und hast dadurch ein Tunnelgefühl. Ein helles Licht könnte der zentrale Teil des visuellen Systems sein, das zuletzt zum Stillstand kommt.
Er postuliert, dass wenn ein Mensch stirbt, zwei Teile des Gehirns, die normalerweise gegensätzlich arbeiten, kooperativ wirken. Das sympathische Nervensystem (Erregung, Aufregung) und das parasympathische System (Beruhigung). Das Einschalten eines Systems fördert das Herunterfahren des anderen. In den Gehirnen von Menschen, die mystische Erfahrungen gemacht haben, geben beide Systeme jedoch das Gefühl, langsamer zu werden, außerhalb des Körpers zu sein und Dinge lebhaft zu sehen, einschließlich Erinnerungen. Newberg behauptet, dass Visionen chemische und neurologische Ereignisse sind, die während des Todes auftreten.
Wissenschaftler haben theoretisiert, dass Nahtoderfahrungen als ein physiologischer Abwehrmechanismus auftreten. Um Verletzungen während eines Traumas zu verhindern, setzt das Gehirn schützende Chemikalien frei, die intensive Halluzinationen auslösen. Diese Theorie gewann an Zugkraft, nachdem Wissenschaftler erkannt hatten, dass die Merkmale einer NTE mit einer Ketamindosis reproduziert werden konnten.
NTE sind sehr häufig. Im Jahr 2015 untersuchte ein Team niederländischer Forscher 344 Patienten mit Herzstillstand. Von den Befragten konnten sich 18% zumindest an das erinnern, was passierte und 8-12% erinnerten sich an perfekte Beispiele für eine klassische NTE. Die Erfahrenden können in außerkörperlichem Zustand sehen und hören und das was sie wahrnehmen, ist fast immer real. Nahtoderfahrungen treten während der Vollnarkose auf, wenn eigentlich keine Form des Bewusstseins stattfinden sollte. Sie finden bei Blinden statt, und diese Erfahrungen beinhalten oft visuelle Erfahrungen. Ein Lebensrückblick während der NTE spiegelt reale Ereignisse im Leben der Patienten genau wieder, selbst wenn diese Ereignisse vergessen wurden. Praktisch alle Personen, die während einer Nahtoderfahrung angetroffen werden, sind zur Zeit der NTE verstorben und meist sind es verstorbene Verwandte. (Bruce Greyson hat in einem 2013 veröffentlichten Bericht festgestellt, dass die Anzahl der Patienten, die sich mit toten Menschen treffen, im Vergleich zu Begegnungen mit lebenden Menschen bei weitem überwiegt.)
Die Ähnlichkeit der Inhalte in NTE von sehr jungen Kindern und denen von Erwachsenen deutet stark darauf hin, dass der Inhalt von NTE nicht auf bereits bestehenden Überzeugungen beruht. Der Inhalt und Aufbau von Nahtoderfahrungen auf der ganzen Welt ist ein Beweis dafür, dass NTE reale Ereignisse sind. Sie haben einen großen Einfluss auf das Leben nach einer solchen Erfahrung. Im Jahr 2001 fand Pim van Lommel heraus, dass die Erinnerung an eine NTE eine dauerhafte Veränderung im Leben des Patienten verursachte. Die Menschen verloren ihre Angst vor dem Tod, wurden glücklicher, positiver und aufgeschlossener. Fast alle berichteten über ihre NTE als positives Ereignis. Diese Veränderungen waren nicht auf Menschen beschränkt, die für Positivität oder religiösen Glauben empfänglich waren. Die Erinnerung an eine NTE bleibt stark, egal wie viel Zeit vergangen ist.
Im Oktober 2016 gab ein Team von Psychologen und Ärzten der Technischen Universität Berlin bekannt, dass sie eine Existenz nach dem Tod nachgewiesen haben. Die Ankündigung beruhte auf den Schlussfolgerungen einer Studie, die medizinisch überwachte Erfahrungen aus dem Bereich des nahen Todes verwendete. Es wurde Patienten ermöglicht, fast 20 Minuten lang klinisch tot zu sein, bevor sie wieder zum Leben erweckt wurden.
Dieser Prozess, der an 944 Freiwilligen in den letzten vier Jahren wiederholt wurde, beinhaltete eine Mischung von Medikamenten (einschließlich Epinephrin und Dimethyltryptamin), die so konzipiert waren, dass der Körper den klinischen Tod überleben konnte. Der Proband wurde dann in einen temporären komatösen Zustand gebracht, der durch andere Medikamente herbeigeführt wurde, die 18 Minuten später während des Reanimationsprozesses aus dem Blut gefiltert werden mussten. Die lange Dauer der NTE wurde durch die Entwicklung eines neuen Reanimationssystems (AutoPulse) ermöglicht.
Das Forscherteam um Dr. Berthold Ackermann hat die Operationen überwacht und die Berichte der Probanden zusammengestellt. Obwohl es leichte Abweichungen gibt, haben alle Probanden Erinnerungen an ihren klinischen Tod und die meisten beschrieben ähnliche Empfindungen, einschließlich eines Gefühls der Loslösung vom Körper, Schwebegefühlen, totaler Gelassenheit, Sicherheit, Wärme und die Anwesenheit eines überwältigenden Lichts.